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Abschiedsbrief einer Socke

Wie es so ist im Frühling - man lernt sich kennen, man ist immer füreinander da, man schwimmt in einem Meer aus Glück und um einen herum schwimmen hunderte andere glückliche Paare und dann kommt so ein Arsch daher und kauft einen mitsamt meiner Partnerin, obwohl man sich grade von ihr trennen wollte. Nie wird man das große Meer des Kaufhaustisches wiedersehen und die richtige Söckin finden, die einen glücklich macht und mit der man Söckchen haben wollte.

Aber nein, jetzt steckt man fest - man ist auf ewig an die ungeliebte Partnerin gekettet und muss ihr auf den Schritt folgen. Tagein, tagaus dasselbe Spiel, erst am Waschtag wird man kurz getrennt, um sich erholen zu können, damit man frisch gestärkt zurückkehren kann.

Man findet sich in einer düsteren Schublade wieder, zusammen mit Socken aller Farben und aller Materialien. Bei lauter Fremden, die weder dem eigenen Volk noch dem eigenen Kulturbereich zugehörig sind, mit denen man sich nicht mal unterhalten kann, weil sie in einem völlig anderen Land genäht wurden.

Eines schönen Tages wird man aus der Schublade wieder herausgeholt und bei egal welchem Wetter auf die Füße gesteckt, die meist widerlich nach Käse stinken, und muss durch die tiefsten Pfützen waten und über die höchsten Kiesel steigen.

Wie soll diese Tortur des Alltags eine normale Socke wie ich durchstehen? Wieso hatten Sie nicht ein bisschen Mitleid und kauften weitere Socken meiner Art? Wieso kauften Sie lauter bunte Gestalten, die ich auf den ersten Blick nicht mochte?

Socken haben auch Gefühle, mein Herr! Jawohl, wir wollen auch ein Stück vom Glück, aber nein, Sie mussten uns kaufen und wie Sklaven gefangen halten, ständig zu ihren Diensten bereit. Ich hoffe, Sie verstehen mich - denn wenn Sie diese Waschmaschine öffnen, werden Sie diesen Abschiedsbrief von mir finden.

Ich bin fort für immer, leben Sie wohl!

Copyright Felix Claudius

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